Petra, 42 Jahre alt, steht unter der Woche täglich um 6 Uhr 15 auf. Nach einem kurzen Frühstück fährt sie eine Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Arbeitsplatz. An jedem Wochentag arbeitet sie zwischen acht und zehn Stunden. Danach einkaufen, Hausarbeit, Telefonate und noch ein paar Mails beantworten. Abends schläft sie vor dem Fernseher fast ein, kann aber dafür nachts nur schlecht durchschlafen. So läuft das Tag für Tag ab. In letzter Zeit fühle sie sich zunehmend erschöpft. Sie kommt morgens kaum aus dem Bett, kann sich tagsüber schlecht auf ihre Aufgaben konzentrieren. Eigentlich kennt sie so etwas nicht – schließlich hat das die letzten 15 Jahre so gut „funktioniert“. Aber jetzt sei sie „echt platt“ und weiß nicht, wie das so die nächsten zwanzig Jahre weitergehen soll. Denn so lange muss sie ja wohl noch arbeiten.
Lebensberichte wie diesen hören wir Hausärzte häufig in der Sprechstunde.
Wie lautet heute Ihre To-do-Liste? Ist sie ähnlich von morgens bis abends durchstrukturiert? Und wo und wie fange ich da an, etwas zu ändern? Ist es Zeit, dass der Arzt mir endlich eine dreiwöchige Reha verordnet? Wird danach alles besser?
Stress ist allgegenwärtig, wenn man darunter vielfältige Aufgaben und Belastungen versteht. Wir alle fühlen uns häufig überlastet. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen.Je höher mein Stresspegel ist, um so bewusster sollte ich mir auch ab und an eine Pause gönnen. Abzu hängen, „die Seele baumeln“ zu lassen, ist überlebenswichtig. Mal gar nichts zu tun, wenigstens ein paar Minuten täglich ohne Ziel und Zweck zu verbringen, an nichts Bestimmtes zu denken, nicht die nächsten Aufgaben planen … Ab und an mal „Nein“ sagen kann dafür leider erforderlich sein. Erst nach einer Weile wird der Kopf dann freier. Solange in meinem Kopf wie ein Sandsturm meine To-do-Liste herumwirbelt, kann ich nicht zur Ruhe kommen. Erst wenn sich der Sand abgelegt hat, sehe ich wieder klar. Eine stationäre Kur oder Reha-Maßnahme zum Beispiel kann da nur ein Beginn sein für das Umdenken. Wenn im Alltag später nicht das Gelernte praktiziert wird, hat sie nicht den gewünschten Effekt. Das Geheimnis sind die täglichen Pausen. So kann ich täglich systematisch neue Kraft schöpfen für den Alltag und auch mein Immunsystem mittelfristig wieder aufbauen und stärken.
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© Dr. med. Sieglind Zehnle, Ruiter Straße 7, 73760 Ostfildern