Stress – wie gehen wir damit um?

Zum Thema „Stress“ hielt PD Dr. Volker Busch, von der Universitätsklinik Regensburg am 9.12.2015 einen fesselnden Vortrag im Alten Rathaus, Esslingen.
„Stress“ – den Begriff kennen wir alle. Alltags-Belastungen, chronische und unvorhersehbare, akute, haben wir alle. Kann jemand von uns sagen, dass er keinen „Stress“ hat? Und doch gibt es manche, die scheinen damit besser umgehen zu können als andere. Woran liegt das?
Die Antwort: Manche haben mehr, manche weniger Zugriff auf mögliche Ressourcen, die den Ausgleich zu ihrem Stress schaffen können und sie wieder aufatmen lassen.
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Dazu ein kleiner Exkurs über die fünf Grundbedürfnisse des Menschen. Welche sind das? Laut PD Dr. Busch handelt es sich um fünf Grundbedürfnisse, die weltweit, unter den unterschiedlichsten Völkern, gefunden wurden und nachweisbar sind bei jedem Menschen.
Das Erste ist der Lustgewinn.
Eine Zunahme von Lust, von Freude, wird regelmäßig erzielt durch Essen, Sexualität und Vorlieben (Hobbies). Lust steigert die Produktion von Dopamin (Glückshormon) im Gehirn und führt zu guter Laune, guter Stimmung und Freude. Einmal am Tag sollte man sich einen solchen Dopaminschub gönnen und etwas für sich tun! Tun Sie einmal am Tag etwas, dass Ihnen Freude macht, wo Sie komplett abschalten können und sich nur noch auf dieses Eine konzentrieren.
Überlegen Sie einmal: Was wollten Sie schon immer tun? Was haben Sie früher sehr gerne getan? Diese Vorlieben werden übrigens von vielen stressgeplagten Menschen als erstes aufgegeben. „Dazu habe ich jetzt leider keine Zeit mehr“. Das ist der Anfang des Burn-Out und der Depression. Wer ein Hobbie ausübt, sollte also kein schlechtes Gewissen haben, denn er betreibt eine echte gesunde Vorsorge dagegen! Solche Pausen im Alltag sind überlebenswichtig. In welche Tätigkeit können Sie sich ganz vertiefen, was gibt Ihnen einen „Flow“?
Das Zweite ist der Selbstwertschutz und die Selbstwerterhöhung
Es ist normal und dienst dem Eigenschutz, daß wir unsere Fähigkeiten etwas höher einschätzen, als sie nach objektiven Maßstäben sind. Das verschafft uns den Optimismus, auch schwierige Aufgaben zu meistern und akute und chronische Belastungen zu schultern. Beim anderen sehen wir genau, woran es mangelt. Bei uns selbst sind wir da ein bisschen großzügiger. Das hat auch Vorteile und ist sozusagen „eingebaut“.
Das Dritte sind soziale Kontakte.
Gute Beziehungen sind wichtig zum Überleben im Alltag. Der Wegfall von inneren Bindungen/Änderung/Trennung ist ein immenser Stress für den Organismus. Zum Beispiel stellt der Tod des Ehepartners eine starke Belastung für den anderen Partner dar. Auch Hochzeit oder Geburt eines Kindes zum Beispiel kann durch die Änderung der Vorbedingungen vorübergehend eine Stress-Belastung sein. Wohl dem, der dann Familie und gute Freunde hat und Optimismus!
Das Vierte sind Autonomie und Kontrolle.
Ein Beispiel: Bei Angestellten, die einem Chef unterstehen, der ihnen viel abverlangt, aber wenig Freiraum einräumt, ist die Burnout-Gefährdung deutlich höher. Wenn die Anforderungen hoch sind, aber wenig kreative Einflussmöglichkeiten bestehen, gibt es auch wenig Autonomie und wenig Kontrolle über das eigene Handeln. Dasselbe gilt auch für den privaten Bereich.
Das Fünfte sind Sinn und Orientierung.
Habe ich feste Ziele? Dann habe ich in der Regel auch den Willen, eine Aufgabe zu tun und auch auf längere Sicht durchzuhalten. Wenn ich weiß, wofür ich arbeite (zum Beispiel für die Familie etc.), kann ich auch widrige Umstände überstehen. Dazu gehören auch Menschen, die einen Glauben haben. Diese halten leichter durch und geben nicht so schnell auf, weil sie ein Ziel haben. „Wer ein WARUM zum Leben hat, erträgt fast jedes WIE“ (Friedrich Nietzsche, aufgenommen von Viktor Frankl in seiner Logotherapie).

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Sind diese fünf Grundbedürfnisse erfüllt, tut sich der Einzelne leichter bei der Stressbewältigung. Das heißt also: Nur wenn die Anforderungen im Alltag die Ressourcen, die der Einzelne hat, übersteigen, ergibt sich für ihn eine Stress-Situation. Ein chronischer Stress-Zustand kann zu einem sogenannten Burn-Out führen. Dann geht gar nichts mehr, und derjenige „funktioniert“ nicht mehr. Die Erholung/Behandlung eines solchen schlimmen Zustandes kann dann sehr lange dauern.
Achten Sie daher im Alltag auf die –möglichst tägliche- Erfüllung Ihrer psychischen Grundbedürfnisse. Einmal am Tag Freude empfinden wirkt da vorbeugend.
Haben Sie Stress? Ja, natürlich, aber ich habe auch meine Ressourcen! Damit kann ich (über-)leben und gesund bleiben.


© Dr. med. Sieglind Zehnle, Ruiter Str. 7, 73760 Ostfildern